Bildgebungsverfahren mit inkohärentem Licht

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Beugungsbild eines Gitters mit vier Schlitzen, erzeugt mit partiell kohärentem Licht des Freie-Elektronen-Lasers Hamburg (FLASH), wie es im Experiment verwendet wurde. Der kohärente Anteil des FLASH-Lichts erzeugt das horizontale Beugungsbild mit einigen wenigen hervortretenden Intensitätsmaxima; der inkohärente Anteil generiert das ober- und unterhalb des kohärenten Beugungsbildes sichtbare sog. Speckle-Muster. Genau dieser Anteil des Lichtes wurde für die Bildgebung nach dem neuen Verfahren genutzt.

Physiker demonstrieren neues Verfahren zur Abbildung von Nanostrukturen

Physikern der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen (FAU), vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY), Hamburg, und der Universität Hamburg ist es gelungen, für die Abbildung von kleinsten Strukturen erstmals eine Bildgebungsmethode anzuwenden, die wie üblich Lichtbeugung nutzt, jedoch hierbei nicht auf die Kohärenz des Lichtes bei der Streuung angewiesen ist.

Während in herkömmlichen Bildgebungsverfahren, die auf kohärenter Lichtbeugung beruhen, erheblicher Aufwand betrieben werden muss, um die Kohärenz der Strahlung, d.h. die phasentreue Schwingung der elektromagnetischen Welle beim Streuprozess, aufrecht zu erhalten, verwendet die neue Methode lediglich inkohärentes Licht. Das Verfahren, das hier erstmalig im Bereich weicher Röntgenstrahlung demonstriert wurde und bisherige Methoden der diffraktiven Optik revolutionieren könnte, wurde nun im Journal „Nature Physics“ veröffentlicht.

Seit mehr als 100 Jahren wird kohärentes Licht von Röntgenstrahlen verwendet, um die Struktur von Kristallen und Molekülen zu bestimmen. Dabei wird das Prinzip der Beugung und Überlagerung genutzt, dem alle Wellen unterliegen: Lichtwellen, die aus Photonen bestehen, werden von den Atomen im Kristall abgelenkt und überlagern sich. Misst man ausreichend viele dieser Photonen mit einem Detektor, erhält man ein charakteristisches Beugungsbild, aus dem die Anordnung der streuenden Atome bzw. die Kristallstruktur abgeleitet werden kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Wellen kohärent gestreut werden. Ist die Streuung der Photonen inkohärent, besteht also keine feste Phasenbeziehung mehr zwischen ein- und ausfallender Welle, kann mittels konventioneller Röntgenbildgebung nicht mehr auf das Verteilung der Atome rückgeschlossen werden kann.

Dieser Effekt limitiert die Anwendung kohärenter diffraktiver Röntgenbildgebung: „Meist überwiegt bei Röntgenlicht die inkohärente Streuung, etwa in Form von Fluoreszenzlicht, das durch Photonenabsorbtion und anschließende Emission entsteht“, erklärt Anton Classen von der FAU, Erstautor eines Artikels im Journal „Physical Review Letters“, in dem vor einigen Monaten das genannte Verfahren erstmals theoretisch vorgestellt wurde. „Dadurch wird ein diffuser Hintergrund erzeugt, von dem man bisher dachte, dass er nicht für die Bildgebung genutzt werden kann, sondern vielmehr die Abbildungstreue kohärenter Methoden reduziert.“

Genau diese inkohärente Strahlung machten sich die Forscher nun zu Nutze, um erstmals im weichen Röntgenbereich mittels diffus gestreuten Lichts des Freie-Elektronen-Lasers Hamburg (FLASH) am DESY eine Struktur in Form eines Benzolrings abzubilden. „Unsere Arbeit schafft die Basis für ein grundlegend neues Verfahren in der Röntgenbildgebung, da wir in dem Experiment gezeigt haben, dass komplexe Strukturen mit kurzen Wellenlängen auch mittels inkohärent gestreuter Photonen rekonstruiert werden können“, erklärt Raimund Schneider von der FAU, Erstautor des Artikels über die experimentellen Ergebnisse.

Die grundlegende Technik des Verfahrens ist dabei nicht neu. Bereits 1956 verwendeten Hanbury, Brown und Twiss (HBT) inkohärentes Licht, um den Durchmesser von Sternen zu bestimmen. In den Folgejahren wurde der Technik jedoch im Hinblick auf die Abbildung von kleinsten Strukturen wenig Beachtung geschenkt. „Während die Bestimmung des Durchmessers eines einzelnen Objekts wie eines Sterns durchaus möglich war, war keinesfalls vorherzusehen, dass die Methode auch auf die mikroskopische Strukturanalyse übertragen werden kann, schon gar nicht auf komplexe Geometrien mit einer Vielzahl von Lichtquellen in zwei oder drei Dimensionen“, betont FAU-Professor Joachim von Zanthier. „Ein weiterer entscheidender Aspekt: Während beim HBT Experiment lediglich Intensitätskorrelationen zweiter Ordnungen zum Tragen kommen, haben wir Intensitätskorrelationen bis zur fünften Ordnung bestimmt und diese gewinnbringend für die Rekonstruktion der Anordnung der Streuzentren eingesetzt. Damit kann die strukturelle Information in unserem Verfahren in kleinere Anteile gesplittet und somit leichter und mit erhöhter Präzision ermittelt werden.“

Links: Elektronen-Mikroskop-Aufnahme der untersuchten hexagonalen Benzolring-Struktur. Rechts: Rekonstruierte Abbildung der Benzolring-Struktur mit Hilfe der auf inkohärentem Licht fußenden neuen Methode. Bild: Nature Physics

Freie-Elektronen Laser wie FLASH oder der Europäische Röntgenlaser mit ihrer extremen Brillanz und ultrakurzen Röntgenpulsen bieten ideale Voraussetzung für diesen neuen Ansatz zur Stukturanalyse, wie Wilfried Wurth, wissenschaftlicher Leiter der FLASH Facility bei DESY und Professor an der Universität Hamburg anmerkt.

Die neuartige Methode weist dabei einen weiteren entscheidenden Vorteil auf. „Je kleiner die abzubildenden Strukturen werden, desto größer wird der Anteil des inkohärent gestreuten Lichts“, erläutert Ko-Autor Ralf Röhlsberger vom DESY. „Während die kohärente Bildgebung hier mit zunehmenden Intensitätsproblemen zu kämpfen hat, profitiert unsere Methode davon.“ Das Verfahren birgt somit das Potential einer grundlegenden Verbesserung der Strukturanalyse in Biologie und Medizin.

Nature Physics  (DOI: 10.1038/nphys4301)

Physical Review Letters  (DOI: 10.1103/PhysRevLett.119.053401)

Die Methode wird auch in einem Brennpunkt-Artikel in der Dezember-Ausgabe des Physik-Journals beleuchtet.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Joachim von Zanthier
Tel.: 09131/85-27603
joachim.vonzanthier@physik.uni-erlangen.de